Wer in Lohn und Brot steht
Der Erste Mai als internationaler Tag der Arbeiterbewegung fand hierzulande gemäss dem Historischen Lexikon der Schweiz erstmals 1890 statt und gilt mittlerweile in mehreren Kantonen als gesetzlich anerkannter Feiertag. Grund genug, diesen Monat der Frage nachzugehen, inwiefern Arbeit auch im Bestand der schweizerdeutschen Familiennamen eine wichtige Rolle spielt. Weil sich der ausgeübte Beruf, das bekleidete Amt oder die eingenommene Stellung innerhalb der Gesellschaft gut als Identifizierungsmerkmal einer Person eignen, lassen sich viele Familiennamen diesem Benennungsmotiv zuordnen. Bestimmte, verbreitete Berufstätigkeiten wie Müller, Meier oder Schmid sind sogar so häufig zu Familiennamen geworden, dass sie in der Deutschschweiz die Top Ten dominieren.
Bei vielen dieser sogenannten Berufsnamen handelt es sich formal um Ableitungen auf -er wie Fischer oder Schneider, die auch im Appellativwortschatz belegt sind. Am Beispiel des Bäckergewerbes zeigt sich jedoch, dass auch noch andere Bildungsweisen möglich sind. So konservieren die Familiennamen Beck und entsprechende Komposita wie Brotbeck oder Surbeck ein früheres Verfahren zur Bildung von Berufsbezeichnungen (ahd. becko > mhd. becke, beck). An solche älteren Formen ist zum Teil die Endung -er zusätzlich angetreten, wodurch beispielsweise der Familienname Becker entstanden ist. Eine erweiterte Endung weist auch Pfisterer auf, das in der Zeitschicht «vor 1800» neben häufigerem Pfister belegt ist. Das Wort Pfister ist aus lateinisch pistor ‘Müller, Bäcker’ entlehnt und war vor allem im Süden des deutschen Sprachraums (insbesondere für den Kloster- und Feinbäcker) gebräuchlich, bevor es als Berufsname fossiliert und appellativisch durch Beck verdrängt wurde. In den verschiedenen Familiennamen, die sich aus der mittelalterlichen Berufswelt speisen, können also sowohl ausgestorbene Wörter wie auch untergegangene sprachliche Muster bewahrt sein. Kartiert man diese älteren Formen wie Pfister zusammen mit jüngeren Varianten wie Becker, lassen sich konservativere und innovativere Sprachräume identifizieren. Auch aus kultur- und sozialgeschichtlicher Perspektive sind Berufsnamen sehr interessant: So spiegelt das überwiegende Fehlen von Beck, Pfister und Co. im alpinen Gebiet die Tatsache wider, dass dort oft überhaupt nicht gebacken wurde, weil unter anderem kein eigenes Brotgetreide vorhanden war. /esther loosli
Die Karte zeigt das Vorkommen von Berufsnamen des Bäckergewerbes in der Zeitschicht «vor 1800». Datenbasis: Familiennamenbuch der Schweiz.